Fakten-Check: Sind Kartoffeln Dickmacher? | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stand: 08/04/2022 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts hatte die Kartoffel in Deutschland neben Brotgetreide fast schon die Bedeutung wie Reis in Asien: Sie war das Grundnahrungsmittel schlechthin, das fast tagtäglich auf den Tisch kam. Aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Kartoffel als Hauptspeise oder als Beilage war dies keinesfalls eintönig und sicherte eine kostengünstige Ernährung. Seither ist der Kartoffelkonsum stark rückläufig. Im Zeitraum von 60 Jahren sank der Verzehr der braunen Knolle von etwa 200 kg auf zurzeit 59,4 kg pro Einwohner und Jahr (2020/21). Der überwiegende Teil davon wird heute als bereits vorverarbeitetes Kartoffelerzeugnis wie z.B. Pommes frites oder Kartoffel-Instantpulver eingekauft. Hinter dem rückläufigen Kartoffelverzehr steht aber nicht nur das Anliegen, möglichst schnelle Mahlzeiten ohne Schälaufwand zuzubereiten. Unter vielen Verbrauchern kursiert die hartnäckige Meinung, Kartoffeln seien „Dickmacher“. Bestärkt wird dieser Standpunkt durch die zahlreichen Verfechter der Low-Carb-Ernährung. „Low-Carb“ bezeichnet eine kohlenhydratarme Ernährungsweise. Kohlenhydratreiche Lebensmittel sind wichtig Ungeachtet der Low-Carb-Befürworter betrachten die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ebenso wie die Ernährungsgesellschaften anderer Länder die Kohlenhydrate als mengenmäßig wichtigste Energiequelle des Menschen und empfehlen, 50 Prozent der täglichen Energiezufuhr in Form von Kohlenhydraten aufzunehmen. Dazu empfiehlt die DGE, reichlich Vollkornbrot und Getreideprodukte aus vollem Korn, Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und auch Kartoffeln zu essen. Diese durchweg pflanzlichen Lebensmittel haben einen hohen Sättigungswert und liefern gleichzeitig eine Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen sowie sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen. Wie auch im Ernährungskreis der DGE oder der BZfE-Lebensmittelpyramide dargestellt, bilden sie die Basis einer vollwertigen, abwechslungsreichen Ernährung. Kartoffeln sind relativ kalorienarm Unter den üblichen Kohlenhydratbeilagen eines Mittagessens ist die Kartoffel, als Pell- oder Salzkartoffel zubereitet, diejenige mit dem geringsten Kaloriengehalt bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte.
**Quelle: DGE (Hrsg.): Heseker/Heseker: Die Nährwerttabelle, 2010 Maßgeblich ist natürlich der Energiegehalt der üblichen Portion eines Lebensmittels. Umgerechnet auf empfohlene Portionsgrößen als Beilagenkomponente eines Mittagessens ergeben sich folgende Nährwerte im Vergleich: 1 Portion Kartoffeln (200 g) liefert 140 kcal Energie. 1 Portion Vollkornnudeln (200 g gegartes Lebensmittel) beinhaltet 258 kcal. 1 Portion Naturreis (150 g gegartes Lebensmittel) liefert 191 kcal. [Quelle: DGE (Hrsg.): Heseker/Heseker: Die Nährwerttabelle, 2010] Bei fettfreier Zubereitung ist die Kartoffel im Vergleich zu den anderen Beilagen kalorienarm. Wenn bei der Zubereitung reichlich Fett verwendet wird, kann sich der Kaloriengehalt jedoch vervielfachen. Leider werden Kartoffeln mit Vorliebe in fettiger Aufmachung verzehrt, beispielsweise als Pommes frites, Chips, Kroketten, Kartoffelpuffer, Röstis, Bratkartoffeln usw. Dabei ist nicht die Kartoffel selbst der ernährungsphysiologisch kritische Faktor, sondern das Fett bei der Zubereitung. Abb.: Fettgehalt verschiedener Kartoffelzubereitungen [Zusammenstellung: DLR RLP] Kartoffeln wirken unterschiedlich auf den Blutzuckerspiegel „Logi“-, „Glyx“-, „Forever-young-Diät und andere Low-Carb-Ernährungsformen messen weniger dem Energiegehalt, als vielmehr der Blutzuckerreaktion nach dem Verzehr von Speisen eine Bedeutung bei. Man ist bestrebt, den Blutzuckerspiegel und damit indirekt auch den Insulinspiegel im Blut möglichst niedrig zu halten. Dadurch soll die Fetteinlagerung in die Körperzellen verringert und der Fettabbau im Körper mobilisiert werden. Eine Low-Carb-Ernährung teilt die kohlenhydrathaltigen Lebensmittel gemäß ihrer Blutzuckerreaktion in „gut“ und „schlecht“ ein. Ein Maßstab für die Blutzuckerreaktion ist der Glykämische Index (GI). Weitere Informationen zum GI: Glykämischer Index - Nutzen für die Praxis? In entsprechenden Tabellen wird zwischen Lebensmitteln mit hohem (GI > 70), mittlerem (GI 55 bis 70) und niedrigem glykämischen Index (GI < 55) unterschieden. Die Kartoffel wird oft als Lebensmittel mit hohem GI ausgewiesen, die Werte in verschiedenen Veröffentlichungen weichen allerdings stark voneinander ab. Für andere Stärkebeilagen wie Vollkorn-/Spaghetti, Vollkornbrot oder Vollkornreis werden zum Teil niedrigere GI-Werte genannt. Die Blutzuckerwirkung der Kartoffel muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Der GI schwankt von Kartoffelsorte zu Kartoffelsorte. Bei mehligen Kartoffelsorten ist ein höherer GI zu erwarten als bei festkochenden. Der natürliche Stärkegehalt schwankt von Kartoffel zu Kartoffel. Ferner nimmt auch mit fortdauernder Lagerung der Stärkeanteil in Kartoffeln zu. Die Zubereitung spielt eine Rolle: Pellkartoffeln haben einen niedrigeren GI als Salzkartoffel, diese wiederum einen niedrigeren GI als Ofenkartoffeln. Je feiner die Kartoffel zerkleinert ist, umso höher ist der GI. Kartoffelpüree aus Instantpulver hat in der Regel einen höheren GI als Püree aus frischen Kartoffeln. Kartoffelgerichte mit viel Fett wie Bratkartoffeln oder Puffer haben wiederum einen niedrigeren GI. Was die GI-Tabellen ebenfalls nicht aussagen: Der GI wird außerdem stark beeinflusst durch eine ganze Reihe von Faktoren, die eine tabellarische Auflistung der isoliert betrachteten Lebensmittel fast schon ad absurdum führen. Neben den genannten Faktoren ist maßgeblich, welche weiteren Mahlzeitenkomponenten die Kartoffeln auf dem Verdauungsweg begleiten. Ballaststoffe in Gemüsen und Salaten oder Fette in anderen Menükomponenten wie z.B. in Soßen oder Salatmarinaden verlangsamen die Aufnahme der Kohlenhydrate ins Blut erheblich und verhindern somit eine hohe Insulinausschüttung. Fast nie werden Kartoffeln so „trocken“, das heißt ohne sonstige Zutat, verzehrt, wie sie in der Theorie, in den jeweiligen GI-Tabellen, dargestellt werden. Fazit Kartoffeln sind keine Dickmacher. Sie sind kalorienarm und eine gute Quelle für verschiedene Nährstoffe wie Eiweiß, Vitamin C, Vitamin B1, Eisen sowie Ballaststoffe. Vor allem als Pellkartoffeln oder Salzkartoffeln bereichern sie vollwertige Mahlzeiten und haben zudem einen günstigen Blutzuckereffekt. Unsere Tipps
Rezeptvorschlag: Statt Pommes: Kräuterkartoffeln aus dem Backofen Zutaten (für 4 Portionen) 800 g neue Kartoffeln 2 EL Kräuter (getrocknet) Kräutersalz 1-2 EL Rapsöl Zubereitung
Nährwertberechnung Angaben pro Portion:
Quellen und weitere Informationen
|
|